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„Ich helfe gerne“

privatAhmad Tazeem aus Pakistan engagiert sich ehrenamtlich.

Ahmad Tazeem führt einen internationalen Lebensmittelladen in Germersheim und unter­stützt ehrenamtlich Flüchtlinge. Er be­gleitet sie zu Behörden und füllt mit ihnen Formulare aus. Ahmad Tazeem kommt aus Pakistan und weiß nur zu gut, wie schwer der Start in Deutschland sein kann. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen.

Du hast vielen Flüchtlingen in Germersheim in der Pfalz 2015/2016 beim Ankommen geholfen. Was hat dich dazu motiviert?

Ich bin selbst 2012 als Flüchtling aus Pa­kistan nach Deutschland gekommen. Wer einen Asylantrag stellte, musste damals neun Monate warten. So lange durften wir weder arbeiten noch einen Sprachkurs besu­chen. Das war sehr schwierig. Du kannst es in Deutschland nicht schaffen, wenn du die Sprache nicht sprichst. Zum Glück gab es in Germersheim den Interkulturverein. Ich war froh. Sie haben mir viel geholfen. Sie haben mir eine Lehrerin organisiert, die mir ehren­amtlich Deutsch beigebracht hat. Danach habe ich mich auch bei der Flüchtlingshilfe engagiert. Ich hatte ja Zeit und konnte so noch weiter ein bisschen die Sprache üben. Wir haben kostenlose Sprachkurse angebo­ten und das Café Oneworld gegründet. Dort kann man sich sonntags treffen, zusammen essen und Kaffee trinken. Bei uns im Verein war richtig viel los, viele Studierende aus der Uni haben mitgeholfen.

Wie hast du den Sommer 2015 erlebt?

Plötzlich kamen ganz viele Menschen, über­all war Chaos, unter anderem in den Aus­länderbehörden. Die Flüchtlinge taten sich schwer mit der Bürokratie, sie verstanden ja überhaupt kein Deutsch und es gab kaum Dolmetscher. Ich dachte mir: Ok, ich spreche nicht perfekt Deutsch, aber ich gebe mein Bestes. In Pakistan habe ich studiert, meinen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre ge­macht. Jetzt arbeitete ich in Rheinland-Pfalz in einer Reinigungsfirma, putzte in Häusern und Büros die Böden. Ich hatte nicht viel Freizeit, aber habe nach der Arbeit einfach mein Essen eingepackt und bin mit dem Bus irgendwohin gefahren, um Leute zu treffen und ihnen zu helfen. Auch am Wochenende.

Was hast du genau gemacht?

In erster Linie habe ich übersetzt, bin mit zu Behörden gegangen und habe geholfen, Formulare auszufüllen. Die Leute waren alle so froh. Ich sprach Pakistanisch, Englisch und ein bisschen Deutsch. Ich habe zum Beispiel eine Familie aus Tschetschenien zur Auslän­derbehörde in Pirmasens begleitet. Sie war von Abschiebung bedroht. Dabei hatte die Frau ein behindertes Kind. Der Mitarbeiter bestand darauf, dass die Familie trotzdem zurück muss. Ich fragte, in welchem Zimmer seine Chefin sitzt und ging zu ihr. Sie war sehr nett und versprach, zu gucken, was sich tun lässt. Die Familie ist immer noch da.

Was ist nicht so gut gelaufen?

Der Umgang mit Behörden ist manchmal sehr schwierig. In Ludwigshafen habe ich eine Familie begleitet, die für ihre Strom­rechnung richtig viel Geld nachzahlen musste. Sie waren total verzweifelt. Ich bin mehrfach mit ihnen hingefahren. Doch der Mitarbeiter war so böse, hat gar nicht mit sich reden lassen. Warum ist jemand so? Man muss doch helfen.

Was hast du mitgenommen?

Ich habe viele tolle Erfahrungen gemacht. Ich habe mein Deutsch verbessert. Und viel Kraft dadurch bekommen. Ich kenne mich jetzt richtig gut aus, bin ein Profi für Formulare – bis heute. Meine Frau und meine beiden Kinder konnten aus Pakistan nachkommen, wir haben jetzt drei Kinder und ich habe einen Laden in Germersheim eröffnet, für asiatische und afrikanische Waren. Deshalb habe ich nicht mehr so viel Zeit wie früher. Manche Leute kommen in meinen Laden und fragen mich um Rat. Darüber bin ich sehr froh. Ich helfe gerne. Oft braucht es gar keine Worte. Einige Menschen können gar kein Deutsch. Aber ich sehe in ihren Augen, wie dankbar sie sind, sehe, wie ihre Augen feucht werden. Das ist genug.

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